Change Management in der Digitalisierung – Teil 1

Mrz 10, 2020 | Wissen

Mittlerweile ist in den meisten Führungsetagen die Erkenntnis angekommen, dass Digitalisierung kein Selbstzeck ist, sondern Mehrwerte schaffen muss. Damit diese Mehrwerte aber realisiert werden können, müssen auch die Mitarbeiter mitziehen. Da jede Form der Digitalisierung eine Veränderung ist, kommt daher dem Thema Change Management in Digitalisierungsvorhaben eine enorm wichtige Rolle zu – eine, die aktuell noch viel zu stiefmütterlich behandelt wird.

Sie kennen folgende Situation: Der Vorstand oder die Abteilungsleitung rufen ein neues Digitalisierungsprojekt aus! Eine neue Software soll beschafft werden oder das papierfreie Büro wird proklamiert. Ihre Kolleginnen und Kollegen liegen sich im Freudentaumel schluchzend in den Armen und können ihr Glück nicht fassen: „Dass ich das so kurz vor der Rente noch erleben darf!“, „Wir wurden erhört!“, „Hurra, es zeigt uns jemand, wie es besser geht!“ Ab diesem Tag wird die unternehmensinterne Zeitrechnung neu beginnen, endlich wird der Arbeitsalltag vereinfacht, alles wird digitaler, die Aktenberge werden verschwinden – Halleluja!!

Nein? Diese Reaktionen kennen Sie so nicht?!

Gut, sind wir ehrlich: Wir auch nicht. Doch woran liegt das? Sie meinen es doch nur gut – im Sinne des Unternehmens UND der Mitarbeiter. Kontinuierliche Verbesserung ist schließlich unabdingbar, um in der internationalen Konkurrenz bestehen zu können. Das wissen auch Ihre Mitarbeiter.  

Aber: Zu viele Säue wurden bereits durchs Dorf getrieben, zu viele Projekte sind in der Vergangenheit gescheitert oder zumindest versandet, zu oft haben externe Berater Lösungen erarbeitet, die im Alltag nicht funktionierten, gefühlt täglich tauchen neue Trendbegriffe von KI, RPA bis Blockchain auf. Wir sind alle ein bisschen veränderungsmüde geworden. Der Spirit „Muss das jetzt wirklich auch noch sein? Aus all dem anderen Mist ist doch auch nichts geworden und wir arbeiten immer noch so wie vor 15 Jahren, nur mit einer After-Work-WhatsApp-Gruppe“ herrscht vor. Um genau diese Lethargie in Ihrem nächsten Digitalisierungsprojekt zu durchbrechen, sollten Sie sich die folgenden Punkte vorab bewusst machen:

1. Vorurteile stecken in allen Köpfen

In Bezug auf Digitalisierung sind diese Vorurteile bedingt durch Schlagzeilen wie „Jobverlust: Digitalisierung lässt binnen 20 Jahren jeden zweiten Job verschwinden!“ – da wird einem angst und bange. Dabei geht es in fast keinem unserer Digitalisierungsprojekte darum, Stellen zu streichen. Machen Sie Ihren Mitarbeitern klar, dass es viel mehr darum geht, sie an den richtigen Stellen einzusetzen. Lästigen Standard-Papierkram kann die Digitalisierung machen. Sie brauchen Ihre Mitarbeiter in Zukunft doch mehr im direkten Kundenkontakt, für strategische Entscheidungen oder bei hoher Komplexität, wenn wirklich Erfahrung gefragt ist. In Zeiten des Fachkräftemangels sind kompetente Mitarbeiter gefragter denn je – sagen Sie das in Ihren Digitalisierungsprojekten ganz offen!

2. Leidensdruck ist Ihr Freund

Ja, die Menschheit ist wegen ihrer Anpassungsfähigkeit weit gekommen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich Menschen grundsätzlich überhaupt nicht verändern möchten! Wir sind nur dann anpassungsfähig, wenn es wirklich sein muss. Das ist ein evolutionär wichtiges Grundprinzip des Überlebens. Was in der Vergangenheit funktioniert und meinen Fortbestand gesichert hat, mache ich auch in Zukunft. Dieses Verhalten gibt Sicherheit, Planbarkeit und vermindert Komplexität in der Entscheidungsfindung. Dabei kann es ganz offensichtliche und rational nachvollziehbare Gründe geben, warum eine andere Verhaltensweise besser wäre. Kosteneinsparung. Transparenz. Vielleicht sogar Klimaschutz. Gesundheit. Aber diese rationalen Argumente kommen nicht an. Sie münden nicht in einer Veränderung unseres Handelns. Die Verhaltensforschung zeigt, dass Menschen sich nachhaltig nur dann ändern, wenn der Leidensdruck des aktuellen Zustands nicht mehr auszuhalten ist.  

Es braucht den einen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Das Heute muss so richtig wehtun, wenn sich etwas ändern soll. Daher müssen Sie im Zweifel Ihren Mitarbeitern den Schmerz bewusst machen. Veranstalten Sie einmal eine Retrospektive zum heutigen Vorgehen. Was läuft wirklich gut und sollte beibehalten werden? Was ist vor allem so richtig katastrophal, nervt täglich und hält von Wichtigerem ab? Welche greifbaren Auswirkungen hat dies auf den Arbeitsalltag Ihrer Mitarbeiter und ihren Frustpegel? 

Wunden offenlegen und Salz in diese streuen, kann manchmal auch Aufgabe einer Führungskraft sein!

3. Mit diesen Prozessen sind Sie erfolgreich gewesen

Verteufeln Sie die Ausgangssituation nicht grundsätzlich. Diesen Prozess hat sich einmal jemand mit viel Mühe und Verstand ausgedacht. Diese Menschen wollen Sie nicht vorführen, vergraulen oder sogar zum Gegner machen. Machen Sie allen Beteiligten bewusst: Diese Prozesse waren in den damaligen Gegebenheiten sehr gut. Wir haben damit viel Geld verdient. Wir sind mit ihnen zu dem Unternehmen geworden, das wir heute sind.  

Aber: Die Gegebenheiten haben sich verändert. Benennen Sie konkret, was heute anders ist. Das schafft Verständnis für die Veränderungsnotwendigkeit. Sprechen Sie offen aus, dass Sie nun das Erfahrungs-wissen der Mitarbeiter benötigen, um die Zukunft zu gestalten. Das schafft Mitstreiter statt Widersprecher!

4. Es muss schlechter werden bevor es besser werden kann

Sie kennen die gute alte Change-Kurve mit dem „Tal-der-Tränen“? Bei Digitalisierungsvorhaben gehört das leider auch dazu. Die heile Welt von morgen bricht nicht per Knopfdruck an. Ihre Produktivität kann kurzfristig sogar absinken. Ihre Mitarbeiter sind mit der Projektumsetzung beschäftigt, müssen an User Tests teilnehmen, das neue System hat Bugs oder läuft noch nicht stabil, die Umstellung und das Neulernen verlangsamen viele Abläufe zunächst. Schaffen Sie von Anfang an Bewusstsein für diesen natürlichen Verlauf als Teil der Erwartungshaltung – auch in Richtung Management! Diese Phase ist leider notwendig, um morgen die Früchte Ihrer Arbeit ernten zu können.

5. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Natürlich gehen Sie mit den besten Absichten voran. Vielleicht haben Sie schon eine konkrete Lösung im Kopf, wie es für Sie funktionieren würde. Die Erfahrung aber zeigt: Wenn Sie oder externe Berater lange Zeit losgelöst an einer Lösung arbeiten, diese am Ende den Mitarbeitern vorstellen mit der Erwartung, jetzt Dank zu ernten, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie bitterlich enttäuscht werden! Weil die Mitarbeiter die Lösung ablehnen oder sie in der Praxis gar nicht funktionieren kann. Wer nicht tagtäglich direkt in den Prozessen arbeitet, hat im Zweifel keine Ahnung von den fachlichen Anforderungen. Holen Sie daher so früh wie möglich ab, was wirklich gewollt und praktikabel ist. Vielleicht können Ihre Mitarbeiter ihre Anforderungen auch nicht sofort in Worte fassen. Anforderungen konkretisieren sich erst nach und nach. Gehen Sie Digitalisierungsprojekte daher agil an – also: Empirisch. Iterativ. Inkrementell.

So können Sie sich Stück für Stück dem „Ideal“ annähern und laufen nicht Gefahr, das Ziel komplett zu verfehlen und dabei viel Geld zu vergeuden.

6. Nach der Digitalisierung ist vor der Digitalisierung

Sie können nicht ein großes Projekt zur „Digitalisierung“ durchführen, einen Knopf daran machen und sich dann dem nächsten Thema zuwenden. Das können Sie zwar, aber den Erfolg stellen wir dann ganz frech in Frage. In der Digitalisierung geht es um kontinuierliche Verbesserung. Es gibt nicht den „perfekten“ digitalen Zustand. Technologien entwickeln sich ständig weiter und die Rahmenbedingungen ändern sich. 

Auch die Einstellung Ihrer Mitarbeiter muss sich erst in Richtung Digitalisierung entwickeln. Wir sehen oft, dass ein kleines, aber erfolgreiches Digitalisierungsprojekt einen wahren Aha-Effekt auslösen kann. Digitalisierung wird plötzlich greifbar und die Mitarbeiter verstehen viel besser, worum es geht. Eigen-initiativen wie „Können wir so etwas nicht auch in Prozess XY machen?“ oder „Bei uns in der Abteilung haben wir ein ganz ähnliches Problem!“ begegnen Ihnen nun von ganz allein. 

Im 2. Teil unseres Artikels über Change Management, der nächste Woche folgt, geben wir Ihnen praktische Tipps für die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben mit auf den Weg. Nicht verpassen, dranbleiben und mitlesen! 

Autor: Melanie Tabbi 

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Als UX Designerin und Consultant unterstützt Celina in zahlreichen Projekten, vorrangig in der öffentlichen Verwaltung. Durch ihren designtechnischen Hintergrund achtet sie besonders auf die Nutzerfreundlichkeit, die in der Digitalisierung eine besonders große Rolle spielt. Folgen Sie ihr auf Linkedin

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