Home-Office – und jetzt? Wer tut was wozu und mit welchen Hilfsmitteln? Eine Frage, die viele Mitarbeiter – gerade in der jetzigen Home-Office Situation – nur unzureichend beantworten können. Plötzlich sind alle im Homeoffice, posten Bilder des heimischen Schreibtisches auf den einschlägigen Sozialen Netzwerken und halten nun „Webmeetings“ in epischen Ausmaßen. Und dann?
Ein kurzer Blick zurück: Am 15.03. verkündete die Bundesregierung, dass aufgrund der Ausbereitungs-gefahr des COVID-19 Virus die Kontakte auf ein Mindestmaß zu reduzieren sind. Bereits in der darauffolgenden Woche wurden zahlreiche Mitarbeiter ins Homeoffice „verwiesen“ – mit Notebooks, VPN und Webmeetings. In der ersten Phase ging es vor allem um eins: Infrastruktur!
Serverausfälle, überlastete Webmeeting-Dienste und Sicherheitslücken waren die Folge. Doch schnell stellte sich für manche Branchen und Berufe eine „welcome to homeoffice“-Kultur ein. Fotos des eigenen Homeoffice wurden gepostet: vom Balkon, mit Kaffeetasse, bei schönem Wetter. Folgte man diesen Beiträgen auf den sozialen Netzwerken, so schienen die meisten Unternehmen unbeeindruckt der Krise im Homeoffice weiterzuarbeiten.
Back to the roots: Prozesslandkarten
Viele Unternehmen haben eine Prozesslandkarte in der Schublade. Ob gedruckt und einsortiert im Regal, als PowerPoint-Folie in der letzten Management-Präsentation oder in digitaler Form. Eine Prozesslandkarte gibt eine Übersicht über alle in einem Unternehmen laufenden Prozesse. So wird eine Übersicht der Ablauforganisation aufgebaut. Aufgegliedert meist in „Hauptprozesse“ (auch wertschöpfende Prozesse oder Kernprozesse), „Managementprozesse“ (auch Führungsprozesse oder Steuerungsprozesse) und „Unterstützungsprozesse“ (auch aus dem englischen Supportprozesse). Hauptprozesse sind jene Prozesse, die zur Leistungserbringung bzw. Wertschöpfung benötigt werden: vom Vertrieb über die Auftragsabwicklung und Produktion oder Dienstleistungserbringung bis hin zur Abrechnung. Unter Führungsprozessen werden Prozesse typisiert, die die Wertschöpfung führen. Meist fallen die Prozesse für Controlling und Strategie unter diese Kategorie.
Neue Arbeitsumgebung = neue Prozesse
Die Herausforderung der Krise ist nicht kompliziert, sie ist komplex! Nicht unlösbar, dennoch ändern eine Vielzahl von Parametern unser tägliches Arbeiten. Mitarbeiter gehen ins Homeoffice, neue Chat- und Webmeeting Tools werden eingeführt. Abstimmungsmöglichkeiten per Flurfunk sind plötzlich nicht mehr möglich. Die Herausforderungen für das Change-Management sind vielseitig (siehe dazu auch unseren Artikel über Change Management). Plötzlich passen wir nicht einzelne Bereiche in unseren Prozessen gezielt an, wir gestalten (ungewollt?) viele einzelne Aktivitäten in fast allen Prozessen neu. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass unsere Ergebnisse möglichst in gleicher Qualität und Quantität beibehalten werden.
Prozesslandkarten angewandt: Anker im Krisenmanagement
Vorab sei eines klargestellt: Wenn das Lager leer ist und keine Kunden/Aufträge in Sicht sind, hilft auch keine noch so effiziente und Homeoffice resiliente Ablauforganisation. Dennoch stellen wir fest, dass unser Krisenmanagement vor allem auf die Aufbauorganisation im Sinne unseres Organigramms setzt. Der Krisenstab setzt sich aus den Positionen im Management zusammen. Es wird definiert, WER in seinen einzelnen Bereichen, Abteilungen oder Teams neue Themen koordinieren muss. Und die Wertschöpfung?
Herausfordernd bei dieser Krise mag die Koordination von Bereichen, Abteilungen und Teams im ersten Schritt sein. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Sicherung der künftigen Wertschöpfung ist jedoch die Betrachtung der Wertschöpfungsprozesse vom Anfang bis zum Ende. Eine Prozessbetrachtung eben!
Und genau hier zeigt sich eine große Schwachstelle: Die Schnittstellen zwischen Teams, Abteilungen und Unternehmensbereichen. Unsere branchenunabhängige Erfahrung zeigt, dass dort, wo Verantwort-lichkeiten wechseln, oft auch enormes Effizienzpotenzial steckt! Auch ohne Krise ist die Koordination von Prozessen über Verantwortlichkeiten hinweg die größte Herausforderung.
Wenn also Mitarbeiter ad hoc ins Homeoffice geschickt werden, werden zunächst die abteilungsinternen Prozesse „fit“ für diese neue Umgebung gemacht. Zentral für den Erfolg des Unternehmens ist es jedoch, schnellstmöglich die Wertschöpfung über alle Abteilungsgrenzen hinweg zu fokussieren.
Genau hier helfen Prozesslandkarten als Instrument zur Sicherstellung der Wertschöpfung. Neben den Hauptprozessen (auch Kernprozesse) werden auch die Führungs- und Supportprozesse funktional aufgelistet. So werden Abteilungsschnittstellen schnell transparent und können gezielt für die neuen Anforderungen des Homeoffice etc. angepasst werden.
Häufig reicht bereits eine klare Formulierung der Anforderung an die Schnittstelle als Operation Level Agreement (OLA) aus, um schnell die unterschiedlichen Verantwortlichen für diese Schnittstelle zu synchronisieren. Zudem können die verwendeten IT-Systeme aus den jeweiligen Prozessen aufgelistet werden. So lassen sich schnell „Digitalisierungslücken“ erkennen und Potenziale identifizieren.
5-Punkte Checkliste für Prozessstrukturierung mit verteilten Teams
1. Prozesslandkarte skizzieren / aktualisieren
Ob mit PowerPoint oder einem professionellen Werkzeug zur Prozessmodellierung – für den ersten Schritt ist es wichtig, dass Sie schnell eine Prozesslandkarte skizzieren können.
2. Verantwortliche je Prozess benennen und kommunizieren
Legen Sie fest, wer für welchen Prozess verantwortlich ist und klären Sie Verantwortlichkeiten zwischen den einzelnen Prozessen. Zudem ist es wichtig, diese Sichtweise auf Ihre Wertschöpfung allen verantwortlichen Mitarbeitern zu kommunizieren.
3. Prozesse analysieren
Nun gilt es, mehr Transparenz in die einzelnen Prozesse zu bringen. Wo und wie startet der Prozess? Welches Ergebnis erwarten wir von diesem Prozesse? Welche Kernaktivitäten gibt es und sind diese „resilient“ d.h. können diese z.B. auch im Homeoffice durchgeführt werden? Gegebenenfalls ist es sinnvoll, Maßnahmen je Prozess zu definieren.
4. Schnittstellen zwischen Prozessen prüfen
Welches Ergebnis erwarte ich von meinem vorangegangenen Prozess? Wie schnell benötige ich z.B. Informationen vom Controlling? Eine solche Beschreibung der Schnittstelle schafft Transparenz und ermöglicht das Arbeiten auch in verteilten Teams fernab vom Flurfunk.
5. Prozesslandkarte als Risiko- und Problem-Landkarte verwenden
Sind alle Verantwortlichkeiten zwischen den Prozessen geklärt? Haben wir alle Meetings zwischen Abteilungen etc. auch für das Homeoffice koordiniert? Sehen wir Digitalisierungspotenzial bei bestimmten Prozessen?
Mit dieser Liste können Sie die ersten Schritte unternehmen, um Ihre Arbeitsprozesse zu strukturieren.
Brauchen Sie Unterstützung? Haben Sie noch Fragen?
Kommen Sie auf uns zu – wir stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.
Autor: Florian Kurz